Menschen, die in der Jugendarbeit tätig sind, finden sich in einer beruflichen Bubble wieder, in der alle von der Wichtigkeit ihres Tuns überzeugt sind und einander versichern, wie unentbehrlich sie sind. Nicht, dass diese Ansichten falsch wären, nur verführen sie dazu, zu vergessen, wie die Jugendarbeit ausserhalb der Bubble wahrgenommen wird. Nämlich fast gar nicht.
Allenfalls sind es ein paar Eltern, deren eigenes Kind in der Krise aufgefangen wurde, mithilfe der Offenen Jugendarbeit eine Lehrstelle, Hilfe bei Mobbing oder den Ausweg aus einer Sucht gefunden hat. Der übrige überwältigende Grossteil der Bevölkerung und der Politik würde nichts bewusst vermissen, fehlte die Offene Jugendarbeit. Die Erfahrung die wir als Anbieterin Offener Jugendarbeit machen, ist: Niemand will Jugendarbeit ihrer Wirkung willen, niemand ist der Ansicht, dass es eine am Sozialraum und der Lebenswelt der Jugendlichen orientierte Arbeit braucht, schon gar niemand will angemessen dafür bezahlen. Wofür wir engagiert werden und wofür man uns gerne bezahlt, ist die Idee, dass wir für Ruhe und Ordnung sorgen.
Dass man mit offener Jugendarbeit Sozialkosten sparen kann, daran glaubt vor allem die Sozialbranche selbst – obwohl es keine Beweise gibt, weil Langzeit- und Querschnittstudien nicht existieren. Wir, die von der Bedeutung der Offenen Jugendarbeit dennoch tief überzeugt sind, also Verbände und Stiftungen wie die MOJUGA, sollten alles daransetzen, das Ansehen dieses Berufs zu steigern.
Das ist deshalb so wichtig, weil die Offene Jugendarbeit nur dann ihre Wirkung entfalten kann, wenn die Jugendarbeitenden über Jahre hinweg in einer Gemeinde profunde Beziehung mit Jugendlichen über mehrere Jahrgänge hinweg pflegen können. Das passiert immer noch viel zu selten, und zwar deshalb, weil der Beruf aufgrund seines schlechten Ansehens in der Öffentlichkeit auch für Menschen, die eine Ausbildung im sozialen Bereich machen, nicht attraktiv ist. Viele nutzen ihn als Sprungbrett auf dem Weg zu anderen Zukunftsvisionen.
Fragen wir bei Vorlesungen in Klassen des Studiums Soziale Arbeit, ob sie sich später eine Tätigkeit in der Offenen Jugendarbeit vorstellen können, antworten höchstens zwei von vierzig Studierenden mit Ja. Unter unseren Bewerberinnen, Bewerbern und Mitarbeitenden sehen wir viele Studierende, die die Offene Jugendarbeit als Einstiegsmöglichkeit für Soziale Arbeit sehen oder sie als Praktikumsmöglichkeit neben dem Studium angenehm finden, weil sie oft abends und am Wochenende stattfindet.
Die meisten bleiben nicht auf dem Beruf, weil sie mit dem falschen Bild kommen und glauben, es handle sich um ein bisschen Tischfussballspielen im Jugendhaus. Wie viel Selbstreflexion und Auseinandersetzung nötig ist, wird vielen erst bewusst, wenn sie unsere internen Weiterbildungen besuchen und tatsächlich im Feld tätig sind.
Was also tun?
Das Berufsbild der Offenen Jugendarbeit darf nicht übertüncht sein von einem akademisierten Berufsbild. Der Dachverband Offene Kinder- und Jugendarbeit Schweiz (DOJ) sowie der Berufsverband der Sozialen Arbeit AvenirSocial propagieren, es brauche für die Offene Jugendarbeit ein Studium der Sozialen Arbeit. Wir halten dagegen, weil wir überzeugt sind, dass Bachelor- und Masterstudienabgängerinnen und -abgänger die Offene Jugendarbeit höchstens als das oben beschriebene Sprungbrett, nicht jedoch als dauerhaftes Tätigkeitsfeld erachten.
Deshalb plädieren wir für eine tertiäre Berufsausbildung für Menschen, die aus eigener Lebenserfahrung verstehen, mit welch immenser Unsicherheit diese Lebensphase belegt ist und die bereit sind, diese Unsicherheit gemeinsam mit den Jugendlichen auszuhalten. Das sind nicht Menschen, die Offene Jugendarbeit als Sprungbrett für Engagements in der Sozialen Arbeit mit geregelten Arbeitszeiten und guter Entlöhnung betrachten, sondern sich aufgrund eines inneren Antriebs beruflich dahin weiterentwickeln wollen.
Für sie (und auch für Akademikerinnen, die es wirklich wissen wollen) bieten wir unseren Praxislehrgang Offene Jugendarbeit an. Er bietet eine Ausbildung in genau jenen Bereichen, die wir für wichtig erachten und die sich auch nicht vom Berufsbild der Fachwelt unterscheiden. Wir vermitteln die Grundprinzipien so, dass sie mit allen Konsequenzen, die sie beinhalten, verstanden werden. Diese Prinzipien müssen in Fleisch und Blut übergehen, damit sie in der praktischen Arbeit mit den Jugendlichen als permanente Haltung ausgestrahlt werden. Die Anforderungen sind hoch: Jugendarbeitende müssen nicht nur für Kinder und Jugendliche da sein, sondern auch politisch, gesellschaftlich und kommunikativ genügen.
Wir sind überzeugt, dass die Einhaltung dieser Prinzipien nur in der Praxis erprobt und feinjustiert werden kann. Ein Studium der Sozialen Arbeit an einer Fachhochschule genügt da bei weitem nicht. Wer aus einem Übungsfeld wie der Verbandlichen Jugendarbeit kommt, braucht mindestens drei Jahre, bis sie eine fähige Jugendarbeitende ist.
Wir versuchen ein Berufsbild zu vermitteln, das auf Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene und deren Umfeld fokussiert. Das Umfeld meint Eltern, Schule, Hauswarte sowie Anwohnende rund ums Jugi oder in der Gemeinde, wo sich die Jugendlichen im öffentlichen Raum aufhalten. Ein anwaltschaftliches Arbeiten für Kinder und Jugendliche bedingt einen guten Draht zu all diesen Leuten. Die Pflege all dieser Beziehungen setzt eine tiefe Auseinandersetzung mit unterschiedlichsten Themen, Selbstreflexion, Übung und fachlichen Austausch mit Berufskolleginnen voraus.