Präventionskampagnen gegen Littering zielen darauf ab, dass Jugendliche ihr Verhalten ändern. Doch solche Bemühungen erreichen die Jugendlichen nicht, sondern beruhigen das eigene Gewissen.
Wenn Jugendliche Erwachsene stören, dann geht es um Lärm, Sachbeschädigung und Littering.
Letzteres ist das Lieblingsfeld von Erwachsenen, auf Jugendliche einzuwirken. Lasst uns einen Blick auf die Herangehensweise sowie deren Effizienz und Sinnhaftigkeit werfen.
Dass der Mensch Abfall produziert, ist für uns alle eine Selbstverständlichkeit. Auch für unsere Kinder: Sie sehen, wie wir Nahrungsmittel nach Hause bringen, die von Abfall umhüllt sind. Sie sehen, dass wir Dinge wegwerfen, die kaputt sind. Sie sehen sogar, wie wir Dinge wegwerfen, die nicht kaputt sind: Lebensmittel, Kleider, Spielsachen.
Wir versuchen, Ihnen einen verantwortungsvollen Umgang mit Abfall vorzuleben, indem wir ihn gewissenhaft trennen. Dabei erkennen wir nicht, dass wir damit nur unser eigenes Missgefühl zu lindern versuchen: Wenn wir die Wertstoffe dem Recyclingprozess zuführen, dann – so reden wir uns ein – ist es kein Abfall.
Abfall ist keine Privatsache
Gleichzeitig geben wir unseren Kindern das Gefühl, dass wir nicht selbst für den Abfall zuständig sind, den wir produzieren. Es ist die Öffentlichkeit, die dafür sorgen muss, dass wir uns mit unserem eigenen Dreck nicht zumüllen. Die Müllabfuhr sammelt unsere Abfallsäcke ein, die Gemeinde stellt Abfalleimer auf, wo immer sich Menschen aufhalten könnten, und wenn ein Fest steigt, müssen die Festbetreiber dafür sorgen, dass am Ende die Putzkolonne kommt.
Sind irgendwo keine Eimer zu finden, fühlen sich mehr als genug Menschen berechtigt, den Müll auf den Boden zu schmeissen; und wenn einer schon voll ist, stellt man seinen Müll halt daneben: Was soll man denn tun, wenn es keine Entsorgungsmöglichkeit gibt?
Kurz: Unsere Kinder wachsen auf mit dem Gefühl, dass man für den eigenen Abfall keine Verantwortung übernehmen muss, sondern dass die Allgemeinheit dafür zuständig ist.
Wenn sie sich dann als Jugendliche von zu Hause ablösen und allein unterwegs sind, verhalten sie sich genauso, wie sie aufgewachsen sind. Sie gehen davon aus: Es gibt die Strassenputzmaschine, die Zigarettenstummel und Quittungen wegwischt, es gibt Putzpersonal, das die Abfalleimer leert, und es gibt einen eigens fürs Fest organisierten Putzkonvoi, der mir erlaubt, im Gedränge nicht nach einem Eimer suchen zu müssen, sondern meinen Trinkbecher einfach zu den 1000 anderen zu werfen, die eh schon am Boden liegen.
Wer wirklich verantwortlich ist
Jugendliches Littering wird nicht etwa zum Thema, weil Erwachsene reife Fragen stellen wie: Wie wollen wir als Gesellschaft ein nachhaltiges Konsumverhalten etablieren? Wie wollen wir dafür sorgen, dass möglichst wenig Abfall überhaupt entsteht? Stattdessen wird Abfall dann zum Thema, wenn er uns unmittelbar stört.
Die Reaktion der Öffentlichkeit auf Jugendliche, die exakt dasselbe tun wie Erwachsene, nur in anderen Kontexten, an anderen Orten und zu anderen Tageszeiten, besteht aus Litteringkonzepten und Kampagnen. Egal, wie originell und wie kreativ – all diese Projekte haben eine Gemeinsamkeit: Sie stellen einen Versuch dar, moralisch auf die Jugendlichen einzuwirken.
Da hängen dann Plakaten mit eindrücklichen Bildern, über denen steht: „Machst du das zu Hause auch?“ Oder: „Dein Abfall tötet Kühe.“ Da laufen lustige Tiktok-Videos, die Jugendliche verschiedenen Abfalltypen zuordnen.
Oder besonders perfid: „Die Umwelt schmeisst dir deinen Abfall zurück.“ Als hätten nicht die älteren Generationen den Jugendlichen einen Scherbenhaufen hinterlassen, sondern als wären diese selbst verantwortlich für Klimaerwärmung, Biodiversitätsverlust und Luftverschmutzung.
Was wir stattdessen tun können?
Das kommt darauf an, worum es uns wirklich geht. Wenn uns der herumliegende Müll unsere schöne Weltsicht versaut, dann sind die Massnahmen einfach: Noch mehr Kübel, noch mehr Putzpersonal. Gerade das wollen die Gemeinden aber nicht. Sie wollen, dass Jugendliche ihr Verhalten ändern. Dazu kommt es aber nicht, weil die Arbeit, die das für uns Erwachsenen bedeuten würde, viel zu komplex wäre und beinhaltete, dass wir selbst anders leben müssten.
Bleibt uns nur, was wir schon beim Abfalltrennen tun: Unser schlechtes Gefühl mit oberflächlichen Präventionsbemühungen zu bekämpfen.